Erbausschlagung
Erben ist eine Sache, der richtige Umgang mit dem Erbe eine andere.
Als Erbe übernimmt man nicht nur das Vermögen des Erblassers, sondern auch dessen Verbindlichkeiten. Stellt der Erbe fest, dass der Nachlass überschuldet ist, kann er die Erbschaft ausschlagen. Eine Erbausschlagung gemäß § 1943 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kommt in Betracht, solange der Erbe das Erbe noch nicht angenommen und er die für die Erbausschlagung vorgeschriebene Frist noch nicht versäumt hat. Ansonsten gilt das Erbe als angenommen. Das Gesetz geht von der Vermutung aus, dass der Erbe erben möchte und keine Erbausschlagung beabsichtigt. Im Umkehrschluss gebietet das Gesetz, dass der Erbe aktiv werden muss, wenn er die Erbausschlagung bezweckt.
Fristen für eine Ausschlagung des Erbes
Die Frist für eine Erbausschlagung beträgt sechs Wochen, in Ausnahmefällen sechs Monate. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Erbfall und seiner Berufung als Erbe Kenntnis erlangt. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn ihm vom Nachlassgericht die Kopie des Testaments übermittelt wird, aus dem ihm seine Erbenstellung ersichtlich ist. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen testamentarisch zur Erbfolge berufen, beginnt die Frist mit der Verkündung des Testaments.
Ab diesem Zeitpunkt läuft die Frist für eine eventuelle Erbausschlagung, ohne dass es darauf ankommt, ob der Erbe im Eröffnungstermin anwesend war. In der Praxis überstellen die Nachlassgerichte ohnehin nur eine Kopie des Testaments und verzichten auf einen formalen Eröffnungstermin. Auch dann, wenn der Erbe den Eröffnungstermin versäumen sollte, läuft die Frist für eine Erbausschlagung. Verkündungstermin und somit Fristbeginn ist immer das Datum der gerichtlichen Eröffnungsverfügung, die das Nachlassgericht von Amts wegen allen infrage kommenden Erben übersendet. Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz im Ausland oder hält sich der Erbe bei Beginn der Frist für eine Erbausschlagung im Ausland auf, beträgt die Frist für eine Erbausschlagung sechs Monate.
Minderjährige Erben
Ist der Erbe minderjährig, wird auf die Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters abgestellt. Falls der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht geboren ist, beginnt die Frist für die Erbausschlagung erst mit seiner Geburt. Ist der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht voll geschäftsfähig, kommt es ebenfalls auf die Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters an. Nur der gesetzliche Vertreter kann die Erbausschlagung erklären und benötigt dafür grundsätzlich die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Ist der Fiskus als gesetzlicher Erbe berufen, kommt eine Erbausschlagung nicht in Betracht.
Form der Erklärung
Die Erklärung der Erbausschlagung ist formgebunden. Der formal berufene Erbe muss die Erbausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht erklären. Er kann die Erbausschlagung wahlweise zur Niederschrift beim Nachlassgericht oder in öffentlich beglaubigter Form vor einem Notar beurkunden. Die Erbausschlagung kann der Erbe auch durch einen Bevollmächtigten erklären. Allerdings bedarf der Bevollmächtigte einer öffentlich beglaubigten Vollmacht des Erben. Außerdem muss er seine Vollmacht der Erklärung zur Erbausschlagung beifügen oder innerhalb der Ausschlagungsfrist nachreichen.
Bauernhof als Nachlass
Ist das Erbe landwirtschaftlich geprägt, gelten gesonderte, gesetzliche Regelungen. Normalerweise kann der Erbe den Nachlass nur insgesamt annehmen oder ablehnen. Es gilt der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge.
Bei einer Hoferbfolge kann der Hoferbe nur den Hofanfall zurückweisen, ohne zugleich auch die Erbfolge in den hoffreien Nachlass ablehnen zu müssen. Umgekehrt kann der Erbe aber auch nur den Hof annehmen und den übrigen Nachlass zurückweisen. Er muss die Erbausschlagung bezüglich des Hofanfalls gegenüber dem Landwirtschaftsministerium und nicht gegenüber dem Nachlassgericht erklären. In fast allen Bundesländern gibt es entsprechende Höfeordnungen, in denen die Details einer solchen Erbausschlagung geregelt sind.
Erbausschlagung bei Überschuldung des Nachlasses
Schlägt der Erbe das Erbe aus, gilt der Erbanfall als nicht erfolgt. Dann fällt das Erbe demjenigen zu, der in der gesetzlichen Erbfolge der nächste Erbe ist und berufen sein würde, wenn der ausschlaggebende Erbe zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte. Der Erbanfall gilt auch hier wieder als mit dem Erbfall erfolgt. Der sodann zum Erben berufende Erbe kann das Erbe selbst wiederum ablehnen, so dass der in der gesetzlichen Erbfolge nachstehende Erbe zum Zuge kommt. An letzter Stelle steht schließlich der Fiskus, dem eine Erbausschlagung verwehrt bleibt.
Annahme und Ausschlagung des Erbes können nicht mit einer Bedingung oder mit einer Zeitbestimmung erfolgen. Der zunächst berufene Erbe kann also nicht auf sein Erbe verzichten, unter der Bedingung, dass eine andere bestimmte Person, die selbst nicht in der gesetzlichen Erbfolge vorgesehen ist, zum Zuge kommt.
Anfechtung wegen Irrtum, Drohung oder Täuschung
Trotz ausdrücklich erklärter Annahme des Erbes oder auch bei einer versäumten Ausschlagungsfrist kann ein Erbe seine Erklärung in notariell oder öffentlich beglaubigter Form anfechten, wenn er sich bei Abgabe seiner Erklärung in einem Irrtum befunden hat, bedroht oder getäuscht wurde. In der Praxis wird meist ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses geltend gemacht. Dabei ist zwischen einem bloßen Motiv- und einem Inhaltsirrtum zu unterscheiden.
Die bloße Hoffnung des Erben, es könne irgendwo irgendwelches Vermögen des Erblassers vorhanden sein, gilt als ein unbeachtlicher Motivirrtum, weil der Irrtum auf eine abstrakte Chance und nicht auf eine konkrete Tatsache gerichtet ist. Hingegen ist die Anfechtung der Annahme des Erbes wegen der nachträglich festgestellten Überschuldung des Nachlasses wirksam. Die Anfechtungsfrist beträgt sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erlangt und im Fall der Anfechtung wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage beendet ist. Nach 30 Jahren ist jedwede Anfechtung ausgeschlossen.
Letztlich erbt der Fiskus
Der an letzter Stelle als Erbe berufene Fiskus erbt dann, wenn das Nachlassgericht per Beschluss feststellt, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist. Zuvor werden vermeintliche Erben drei Monate lang an der Gerichtstafel öffentlich aufgefordert, ihre Ansprüche geltend zu machen.
Pflichtteilsrecht
§ 2308 BGB enthält noch eine Sonderregelung im Pflichtteilsrecht: Ein Pflichtteilsberechtigter, „der durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist“ und der das Erbe oder das Vermächtnis ausgeschlagen hat, kann die Erbausschlagung im Nachhinein anfechten, wenn „die Beschränkung und die Beschwerung zum Zeitpunkt der Erbausschlagung entfallen und ihm der Wegfall unbekannt war“.
Mit der Erbausschlagung gilt das Erbe als von Anfang an als nicht angefallen. Der gesetzlich berufene Erbe bleibt von den Verpflichtungen des Erblassers befreit. Allerdings gehen damit auch seine Pflichtteilsrechte verloren. Die Vorstellung, man schlägt das Erbe mit den bestehenden Verbindlichkeiten aus, überlässt es dem nachberufenen Erben und macht dann gegenüber diesem den Pflichtteil geltend, ist irrig. Mit der Ausschlagung des Erbes erlischt auch die Stellung als Pflichtteilsberechtigter. Das Pflichtteilsrecht soll nämlich nur einen Ausgleich dafür schaffen, dass ein eigentlich gesetzlich berufener Erbe durch eine testamentarische Verfügung des Erblassers nicht zum Zuge kommt.